Kommunikation
Irreführende Umweltaussagen, Vertrauensverlust bei Verbraucher*innen – zwei EU-Richtlinien arbeiten daran, ein klares Regelwerk für Umweltaussagen und deren Kommunikation zu schaffen. Ein Überblick und eine Checkliste.
Das Vertrauen der Verbraucher*innen zurückgewinnen
Das wachsende gesellschaftliche Interesse an Nachhaltigkeit verändert die Art und Weise, wie Unternehmen über ihre Produkte und Dienstleistungen kommunizieren. Mit der zunehmenden Präsenz sogenannter Green Claims in den letzten Jahren hat jedoch auch die unsachgemäße bis irreführende Verwendung von nachhaltigkeitsbezogenen Produktaussagen zugenommen. Eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020 zeichnet ein Bild von dem Ausmaß: In einer Stichprobe wurden 150 Umweltaussagen zu einer breiten Produktpalette in der EU auf Klarheit, Eindeutigkeit, Richtigkeit und Nachprüfbarkeit untersucht – davon enthielten ganze 53 Prozent vage, irreführende oder unbegründete Informationen zu den Umwelteigenschaften der Produkte. Bei 40 Prozent der Behauptungen fehlten darüber hinaus die entsprechenden Nachweise.
Die Studie zeigt außerdem, dass dies auch von den Verbraucher*innen wahrgenommen wird und zu einem Vertrauensverlust führt.
Um Verbraucher:innen künftig besser vor irreführenden Angaben sowie bewusstem, aber auch unbeabsichtigtem Greenwashing zu schützen und sie darin zu bestärken, aktiv zum ökologischen Wandel beizutragen, geht die EU mit zwei Initiativen dagegen vor. In diesem Rahmen legte die Europäische Kommission im März 2023 einen Vorschlag für die Green Claims Directive vor – eine Richtlinie zur Überprüfung und Kommunikation von umweltbezogenen Produktaussagen. Sie geht Hand in Hand mit der Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher:innen für den ökologischen Wandel (Empowering Consumers for the Green Transition), die im Januar 2024 verabschiedet wurde.
Wir haben einige der wichtigsten Informationen zu den beiden Richtlinien zusammengefasst und um eine Hilfestellung zur Erkennung falscher oder irreführender Green Claims ergänzt.
„Mit der Green Claims Directive würde in der EU ein einheitliches und verbindliches System zur Überprüfung und Vorabgenehmigung ökologischer Werbeaussagen geschaffen.“
Fabian Ziep
Regulierungen aus der EU: Green Claims Directive und Empowering Consumer Directive
Mit der Green Claims Directive würde in der EU ein einheitliches und verbindliches System zur Überprüfung und Vorabgenehmigung ökologischer Werbeaussagen geschaffen. Damit müssten Unternehmen künftig Nachweise für ihre ökologischen Werbeaussagen vorlegen und von unabhängigen Gutachter*innen vorab bestätigen lassen, bevor sie ihre Produkte zum Beispiel als „umweltfreundlich“ bewerben.
Folgende zentrale Maßnahmen sind vorgesehen:
- Zuverlässigkeit, Transparenz und Vergleichbarkeit: klare gemeinsame Anforderungen und Kriterien für den Nachweis von Umweltaussagen sowie Umweltzeichen
- Kontrolle: verpflichtende Vorabprüfung dieser Angaben und Kennzeichnungen durch akkreditierte unabhängige Prüfstellen; neue Regeln für die Steuerung von Umweltkennzeichnungssystemen, um sicherzustellen, dass sie solide, transparent und zuverlässig sind
- Sanktionen bei Verstößen: zum Beispiel vorübergehender Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen oder Bußgelder
Neben der Befähigung der Verbraucher*innen durch glaubwürdige, vergleichbare und überprüfbare Informationen würde auch ein Level Playing Field, also gleiche Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf die Umweltleistung, für Unternehmen geschaffen. Die Europäische Kommission schreibt dazu in ihrem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen)“ vom 22. März 2023:
„Ziel dieser Initiative ist es, das Umweltschutzniveau zu erhöhen und zur Beschleunigung des ökologischen Übergangs zu einer sauberen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft in der EU beizutragen, Verbraucher und Unternehmen vor Grünfärberei zu schützen und die Verbraucher in die Lage zu versetzen, zur Beschleunigung des ökologischen Wandels beizutragen, indem sie fundierte Kaufentscheidungen auf der Grundlage glaubwürdiger Umweltaussagen und -zeichen treffen, die Rechtssicherheit in Bezug auf Umweltaussagen und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer, die Anstrengungen zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit ihrer Produkte und Tätigkeiten unternehmen, zu steigern und Kosteneinsparungen für solche Wirtschaftsteilnehmer zu schaffen, die grenzüberschreitend handeln.“
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt befindet sich die die Green Claims Directive noch im Gesetzgebungsverfahren: Nachdem das Europäische Parlament am 12. März 2024 seine Position in erster Lesung verabschiedet hat, muss das Verfahren nun vom neuen Parlament nach den Europawahlen am 09. Juni 2024 weiterverfolgt werden. Sobald die Richtlinie offiziell von der EU verabschiedet wurde, haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.
Die Green Claims Directive ist nicht die einzige rechtliche Grundlage, die sich mit umweltbezogenen Aussagen befasst. Auf nationaler Ebene ist bereits im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt, dass irreführende Aussagen, die bei Verbraucher:innen falsche Erwartungen wecken, nicht zulässig sind. Analog zum UWG existiert in der EU bereits die europäische Unfair Commercial Practices Directive (UCP). Ergänzend dazu hat die EU auch die Richtlinie Empowering Consumers For The Green Transition erlassen.
Dabei wirkt die Green Claims Directive mit der Empowering Consumers for the Green Transition-Richtlinie zusammen. Die Europäische Kommission hatte letztere Richtlinie bereits am 30. März 2022 vorgeschlagen. Am 17. Januar 2024 wurde sie vom Europäischen Parlament und rund einen Monat später, am 20. Februar 2024, vom Rat der Europäischen Union angenommen. Nach Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten wiederum 24 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.
Die sogenannte Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel soll Verbraucher*innen vor unlauteren Praktiken schützen, indem Greenwashing und irreführende Umweltaussagen verboten sowie Produktkennzeichnungen verbessert werden. Dazu wird die EU-Liste unlauterer Geschäftspraktiken im Anhang der Unfair Commercial Practices Directive um „einige problematische Geschäftspraktiken, die mit Grünfärberei und dem geplanten Verschleiß von Produkten zusammenhängen“, ergänzt.
Was unterscheidet die Green Claims Directive und die Empowering Consumers for the Green Transition-Richtlinie?
Während die Empowering Consumers For The Green Transition-Richtlinie die Perspektive der Verbraucher*innen einnimmt und fälschliche Aussagen verbietet, legt die Green Claims Directive fest, welche Art von Informationen Unternehmen in Zukunft vorlegen müssen, um ihre umweltbezogenen Marketingaussagen zu rechtfertigen. Außerdem schafft sie einen Rahmen und Fristen für die Prüfung von Nachweisen und die Genehmigung von Angaben und bestimmt, was mit Unternehmen geschieht, die gegen das Gesetz verstoßen.
Greenwashing vermeiden
Im Jahr 2007 veröffentlichte die kanadische Beratung TerraChoice die „Six Sins of Greenwashing™“, für die sie Umweltaussagen auf den nordamerikanischen Märkten untersuchte und falsche oder irreführende Umweltaussagen kategorisierte. Die Liste kann auch heute noch als hilfreicher Ausgangspunkt für die Überprüfung eigener ökologischer Werbeaussagen dienen.
Die sechs Kategorien:
1. Sin of the Hidden Trade-Off (Sünde des versteckten Kompromisses): Behauptung, dass ein Produkt aufgrund eines einzigen Umweltmerkmals oder einer unangemessen eng begrenzten Gruppe von Merkmalen „grün“ ist, ohne dass andere wichtige oder noch wichtigere Umweltaspekte berücksichtigt werden
2. Sin of No Proof (Sünde des fehlenden Beweises): Umweltbehauptungen ohne leicht zugängliche Informationen oder eine verlässliche Zertifizierung durch Dritte, die diese belegen
3. Sin of Vagueness (Sünde der Ungenauigkeit): unzureichende Definition oder so weit gefasster Einsatz einer Angabe, dass ihre tatsächliche Bedeutung von Verbraucher:innen missverstanden werden kann
4. Sin of Irrelevance (Sünde der Irrelevanz): irrelevante Umweltaussagen, die zwar wahr sein mögen, aber für Verbraucher*innen, die auf der Suche nach umweltfreundlicheren Produkten sind, unwichtig und nicht hilfreich sind
5. Sin of Lesser of Two Evils (Sünde des geringeren Übels): „grüne“ Behauptungen, die innerhalb der Produktkategorie zutreffen mögen, aber Verbraucher*innen von den größeren Umweltauswirkungen der Kategorie als Ganzes ablenken können
6. Sin of Fibbing (Sünde des Schwindelns): Umweltaussagen, die schlichtweg falsch sind
Herausforderungen meistern, Chancen erkennen
Der Umgang mit Green Claims wird durch die neuen und kommenden EU-Richtlinien geschärft. Statt hier nur Herausforderungen zu sehen, sehen wir auch große Chancen – für Unternehmen ebenso wie für ihre Kund:innen. Ein Ende irreführender Behauptungen von Unternehmen über die Umweltvorteile ihrer Produkte und Dienstleistungen würde zum einen gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Dies würde die Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit der wirklich engagierten Unternehmen erhöhen. Gleichzeitig könnten umweltbezogene Werbeaussagen, die der Green Claims Directive entsprechen, das Vertrauen von Kund*innen zurückgewinnen und aufgrund einer neuen Glaubwürdigkeit zu einem bedeutenden Faktor bei Kaufentscheidungen werden. Dies gilt in gleicher Weise auch für die Verwendung von Umweltzeichen. Mit anderen Worten: Eine ehrliche, professionelle und prüffeste Nachhaltigkeitskommunikation ist nicht nur rechtlich unabdingbar, sondern auch ein großer Gewinn für die positive Wahrnehmung und Reputation eines Unternehmens.
Besteht bei Ihnen die Gefahr von Greenwashing? Passen Nachhaltigkeitsstrategie und Kommunikation zusammen? In Zeiten zunehmender Komplexität begleiten wir mittelständische Unternehmen bei ihren kommunikativen Herausforderungen: von der Kommunikationsstrategie bis zur Umsetzung von Maßnahmen, die Nachhaltigkeitsthemen begeisternd und transparent vermitteln.
Let’s talk.